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Arbeitsunfälle in der Gastronomie vermeiden

Es gibt nur wenige Gewerbe, bei denen die Zielgruppe so dicht am Produkt und bei dessen Entstehung anwesend ist wie die Gastronomie. Das gilt definitiv nicht nur für Häuser mit offener Küche. Wenn etwas schiefgeht, dann wird es mit etwas Pech jeder vorhandene Gast mitbekommen. Die Folgen für das eigene Image kann sich wohl jeder Gastronom ausmalen. Positiv werden sie keinesfalls sein, egal was genau der Auslöser war. Zudem haben viele Häuser mit Personalmangel zu kämpfen. Jeder Ausfall wirkt daher gleich doppelt scharf.

Betreiber sollten deshalb die wichtigsten Arbeitsschutzregelungen aus den Händen der DGUV respektive der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe nicht nur akribisch einhalten, sondern lediglich als Mindestleitlinien betrachten. Anders gesprochen: Besser geht es immer. Auf den folgenden Zeilen geben wir Tipps, um innerhalb und außerhalb der Küche Arbeitsunfälle mit allen Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und das Image des Hauses unwahrscheinlicher zu machen.

1. Schneidwaren korrekt behandeln

Es dürfte wohl keine Küche geben, in der nicht mit zahlreichen Messern und anderen Klingen gearbeitet wird – ständig und mit hohem Tempo. Was die Berufsgenossenschaft anbelangt, so sind die Vorgaben ambivalent: Schnitt- und Stichschutzhandschuhe sind nicht universell vorgeschrieben, sondern es gilt vielmehr:

„[…] Schutzhandschuhe zum Schutz vor Verletzungen können auch angezeigt sein beim Umgang mit z.B. Knochen oder Knochensplittern und Fischschuppen sowie Stechschutz- und Schnittschutzhandschuhe bei Arbeiten mit Messern. […]“

Zudem, das weiß jeder Gastronom, können solche Handschuhe, egal wie dünn sie heute sein mögen, bei der Arbeit hinderlich sein und mitunter sogar das Risiko für Unfälle erhöhen. Dennoch wäre es falsch, das gesamte Thema Schneidwaren zu oberflächlich anzugehen. Folgendes hilft immens:

  1. Messer sollten stets so scharf wie möglich hinsichtlich ihres Einsatzbereichs geschliffen sein. Stumpfe Klingen reduzieren nicht nur die Qualität, sondern erhöhen die Verletzungsgefahr. Überdies sind Verletzungen durch stumpfe Klingen oftmals unsauberer und heilen deshalb langsamer.
  2. Nicht zuletzt zum Erhalt der Schärfe (Stichwort Scharten) sollten Klingen niemals in Spülbecken geworfen werden. Zielgerichteter ist ein manuelles Reinigen sofort nach jeder Benutzung.
  3. Im Anschluss sollte stets eine sofortige Versorgung in passenden Taschen oder Haltern erfolgen. Messer sollten sich entweder in der Hand der Benutzer befinden oder an diesen Unterbringungsorten – niemals herrenlos auf der Arbeitsplatte oder im Spülbecken, wo jederzeit jemand versehentlich hineingreifen kann.

Was nicht handgeführte Klingen anbelangt, so gelten noch zwei wichtige Regeln: Niemals ohne die erforderlichen Schutzeinrichtungen und niemals mit Handschuhen bedienen. Letztere können die Hand erst in die Maschine ziehen.

2. Für hochwertige Beleuchtung sorgen

Je nach Gestaltung des Gastraumes muss dieser ein wenig schummrige Heimeligkeit versprühen. Allerdings gibt es schon dabei eines zu beachten: Es sollten sich keinesfalls Situationen ergeben, in denen Mitarbeiter aus gleißend hell ausgeleuchteten Bereichen – womöglich mit Speisen beladen und unter Zeitdruck – in diese dunkleren Zonen begeben müssen. Selbst bei sehr jungen Augen dauert es eine gewisse Zeit, bis sich die Pupille angepasst hat. Bis dahin sieht man in der Dunkelheit erheblich weniger.

Generell sollten deshalb scharfe Hell-Dunkel-Kontraste nach Möglichkeit vermieden werden. Und dort, wo es keinen Grund zu besagter Heimeligkeit gibt, sollte Beleuchtung nach einem Maximalprinzip appliziert werden. Das heißt:

  1. Aufgrund der Verteilung sollte es möglichst keine Schattenwürfe geben; insbesondere rings um die zentralen Arbeitsbereiche.
  2. Nicht zuletzt zum optimalen Erkennen von Garzuständen muss die Lichtfarbe warm- oder neutralweiß sein. Zudem muss das Leuchtmittel einen hohen Farbwiedergabeindex von mindestens CRI bzw. Ra 90 aufweisen – je mehr, desto besser.
  3. Es sollte keine Zonen unterschiedlicher Ausleuchtung geben, prominent etwa in den Tiefen von Schränken. Hier sind ebenfalls passende Leuchtmittel zu installieren.
  4. Falls möglich, sollte es eine anwesenheitsbasierende Lichtsteuerung geben. Dadurch entfallen viele Gefahren durch Hektik und gefährliche Routine.

Ebenfalls sind Fenster und Türen zu betrachten: Bei entsprechendem Sonnenstand können sie die Gefahren eher erhöhen denn reduzieren. Dagegen sollte es idealerweise automatisch gesteuerte Rollladen- oder ähnliche Systeme geben. Diese schließen selbsttätig, sobald es draußen „blendend hell“ wird – eine Leichtigkeit für einen Elektrofachbetrieb.

Übrigens: Um die Ausfallwahrscheinlichkeit erheblich zu reduzieren, sollten nicht zuletzt noch vorhandene Leuchtstoffröhren durch hochwertige LED-Exemplare ersetzt werden.

3. Besser mehr als weniger markieren

Egal ob heiß oder kalt, ätzend oder anderweitig gefährlich: Im Umfeld eines Gastronomiebetriebs existieren zahlreiche Werkzeuge, Maschinen und Hilfsmittel, die bei unbedarftem Umgang gefährlich bis tödlich sein können. Wichtig ist es deshalb, dass

  1. alle Betriebsangehörigen umfassend in die Symbolik der gefährlichen Stoffe sowie die Warn-, Verbots-, Gebots- und Rettungszeichen eingeführt werden;
  2. ausschließlich die freigegebenen Symbole verwendet werden – gegebenenfalls höchstens ergänzt um schriftliche Hinweise. Diese jedoch in den Sprachen, die vom Personal gesprochen werden.
  3. die Warnschilder und -aufkleber großzügig eingesetzt werden; kein Gastronom sollte sich auf Selbstverständlichkeit, Selbsterklärung oder Ähnliches verlassen.

Das hat definitiv nichts mit übertriebener Vorsicht zu tun. Viele Arbeitsunfälle hätten nachweislich durch bessere Beschilderung vermieden werden können. In diesen Bereich fällt ebenso der Rat, alle Behälter mit Reinigungs- oder sonstigen Mitteln, die optisch Lebensmittelbehältern zum Verwechseln ähneln (insbesondere in Eile), rigoros zusätzlich zu markieren – etwa durch markante Warnfarben.

4. Die beiden größten Stolpergefahren eliminieren

Neben Schnitt- und Stichverletzungen entfällt ein Großteil aller Arbeitsunfälle in der Gastronomie auf Rutsch- und Sturzunfälle. Hier sind es neben nassen Böden vor allem zwei Dinge:

  1. Schuhe, die insbesondere in Sachen Passform und Fersenhalt nicht ausreichen.
  2. Erhöhungen und Vertiefungen am Boden sowie Zonen unterschiedlicher Griffigkeit.

Ersteres dürfte einer Ungenauigkeit in der Gesetzeslage geschuldet sein. Denn die Vorgaben erfordern für „Geeignetes Schuhwerk“ lediglich etwas unspezifisch, dass der Schuh (unter anderem) „einen ausreichend festen Sitz am Fuß hat“ und „einen Fersenhalt aufweist“. In vielen Küchen sind deshalb vorne geschlossene Clogs mit Haltebügel um die Ferse (respektive ähnliche Muster) gang und gebe.

Zweifelsohne mögen diese Schuhe bequem sein und verschiedene weitere gastronomische Vorteile aufweisen – angefangen bei der einfachen Reinigung. Doch ebenso wie ohne Schnürung anzuziehende Damenschuhe sind sie schlichtweg zu unfallträchtig. Bedeutet, für das ganze Personal sollten es de facto zulässige Sneaker-artige Schuhe sein – für mehr Schnelligkeit ggf. mit Klettverschlüssen versehen.

Was das zweite Problem anbelangt, so hilft nur ein Test: Im gesamten Arbeitsbereich sollte man sich ohne Hinzusehen regelrecht schlurfend fortbewegen können, ohne mit den Schuhen irgendwo anzustoßen, abzugleiten oder hängenzubleiben – vollwertige Trittstufen einmal außenvor.

Das bedeutet, alles, was niedriger ist, als eine Norm-Treppenstufe (140 bis 190 mm), sollte nach Möglichkeit eingeebnet oder anderweitig entschärft werden. Ebenso sollten alle Böden ähnliche Rutschfestigkeitsbedingungen bieten. Bitte nie vergessen: Weder Küchen- noch Gastraumpersonal werden in der alltäglichen Hektik dauernd auf den Boden vor sich achten. Und bis Neulinge eine „blinde Routine“ entwickelt haben, können gefahrvolle Monate vergehen.

 

5. Sämtliche Beinahe-Unfälle dokumentieren, analysieren und besprechen

„Nochmal gutgegangen“ ist ein häufiger Satz nach Beinahe-Stolperern, Beinahe-Schnitten und anderen Beinahe-Unfällen. Leider gehen jedoch viele Häuser und Mitarbeiter völlig falsch mit solchen Situationen um. Sie sehen nur, es ist gerade so nichts passiert und gehen deshalb zum Tagesgeschäft über.

Tatsächlich ist jedoch jeder Beinahe-Unfall eine Art „finale Warnung“. Er zeigt eindeutig falsches Verhalten oder andere Gefahrpotenziale, die nur durch besondere Umstände nicht zum vollendeten Arbeitsunfall führen. Oft würden nur minimal veränderte Umgebungsbedingungen genügen, um aus dem Beinahe-Unfall etwas Meldepflichtiges zu machen.

Die Schlussfolgerung hieraus:

  1. Jeder Beinahe-Unfall zeigt, dass es an dieser Stelle mit der Arbeitssicherheit noch hapert.
  2. Jeder dieser Vorfälle sollte von den Betroffenen oder Anwesenden an Vorgesetzte oder Geschäftsführung gemeldet werden. Dazu ist eine Kultur der offenen Kommunikation vonnöten, in der es keine Furcht vor Problemen aufgrund von womöglich fehlerhaftem Eigenverhalten gibt.
  3. Die Führung des Gasthauses muss, gegebenenfalls im Zusammenspiel mit dem Arbeitssicherheitsbeauftragten, den Vorfall genau so analysieren wie es bei einem tatsächlichen Arbeitsunfall der Fall wäre.
  4. Es sind Lösungen zu erörtern und das Personal entsprechend zu schulen.

In diesem Sinn ist jeder Beinahe-Unfall quasi ein glücklicherweise folgenloser Betriebsunfall. Entsprechend sollte er behandelt werden, damit ein wirklich positives Ergebnis für die langfristige Zukunft erzielt werden kann.

6. Sicherheit trotz Hektik ermöglichen

Hektik, das haben die meisten in ihrem Berufsleben gelernt, ist eine sehr häufige Basis für Arbeitsunfälle. Leider sind Gastronomiebetriebe in Stoßzeiten kaum in nicht hektische Orte zu verwandeln. Das lässt schlichtweg die Natur des Business nicht zu.

Gastronomen sollten das jedoch nicht achselzuckend abtun. Vielmehr sollte der ganze Betrieb es ermöglichen, sich trotz großer Eile sicher zu bewegen. Neben diversen baulichen Maßnahmen spielen hier vor allem zwei Dinge eine Rolle:

  1. Jeder Mitarbeiter sollte nur so rasch arbeiten (müssen), wie es unzweifelhaft geboten ist. Unnötige zusätzliche Hetze sollte durch Vorgesetzte weder akzeptiert noch durch diese verursacht werden.
  2. Gastronomen sollten versuchen, ihrem Team entsprechende Maßnahmen zur Stressreduktion bzw. dem Umgang mit hohem Druck anzubieten.

Kein gutlaufender Gastro-Betrieb wird jemals ein wirklich ruhiger Arbeitsort sein. Dennoch sollte es eine scharfe Grenze zwischen schnellem, aber kontrolliertem Tempo und gefahrenträchtiger Hektik geben.

 

Gourmet-Club